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Arbeitsrechtlicher Abfindungsanspruch – Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung?
Grundlagen: Masseverbindlichkeit und Insolvenzforderung
Insolvenzforderungen sind Forderungen, die vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind und bei der Anmeldung zur Insolvenztabelle berücksichtigt werden. Sie werden gleichrangig mit anderen Gläubigern aus der Insolvenzmasse im Rahmen der sogenannten Insolvenzquote bedient. Da die zur Verfügung stehende Masse oft nicht ausreicht, um sämtliche Gläubiger vollständig zu befriedigen, erhalten die Gläubiger lediglich einen Bruchteil ihrer ursprünglichen Forderung.
Masseverbindlichkeiten hingegen entstehen erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens und sind für den Insolvenzverwalter unmittelbar zahlbar. Sie werden vorab aus der Insolvenzmasse bedient, bevor die Insolvenzquote gebildet wird. Masseverbindlichkeiten sind also bevorrechtigte Forderungen und haben Vorrang vor den Insolvenzforderungen.
Abfindungsansprüche im Arbeitsrecht
Ein Abfindungsanspruch entsteht im Arbeitsrecht in der Regel bei einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses (z. B. durch Aufhebungsvertrag) oder aufgrund einer betriebsbedingten Kündigung, bei der der Arbeitgeber eine Abfindung nach § 1a KSchG anbietet. Abfindungen sind somit eine Art Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes und dienen der wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers.
Doch was geschieht, wenn ein Unternehmen insolvent ist und ein Abfindungsanspruch besteht?
Die rechtliche Einordnung des Abfindungsanspruchs in der Insolvenz
Ob ein Abfindungsanspruch als Masseverbindlichkeit oder als Insolvenzforderung gilt, hängt maßgeblich vom Zeitpunkt der Entstehung der Abfindung ab:
- Abfindungsanspruch vor Insolvenzeröffnung: Entsteht der Abfindungsanspruch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, beispielsweise durch einen Aufhebungsvertrag oder eine gerichtliche Entscheidung, wird der Anspruch als Insolvenzforderung eingestuft. In diesem Fall muss der Arbeitnehmer seine Forderung zur Insolvenztabelle anmelden. Die Befriedigung erfolgt dann nur im Rahmen der Insolvenzquote, was oft zu einem erheblichen finanziellen Verlust führt. Beispiel: Ein Arbeitnehmer und der Arbeitgeber schließen einen Aufhebungsvertrag und einigen sich auf eine Abfindung. Kurz danach beantragt das Unternehmen die Insolvenz. Da der Abfindungsanspruch bereits vor der Insolvenzeröffnung bestand, handelt es sich um eine Insolvenzforderung.
- Abfindungsanspruch nach Insolvenzeröffnung: Entsteht der Abfindungsanspruch erst nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, handelt es sich grundsätzlich um eine Masseverbindlichkeit. Dies ist etwa der Fall, wenn der Insolvenzverwalter mit dem Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag abschließt oder das Arbeitsgericht nach Insolvenzeröffnung eine Abfindung festsetzt. Der Arbeitnehmer kann in diesem Fall eine bevorzugte Zahlung verlangen, da Masseverbindlichkeiten vorrangig bedient werden. Beispiel: Ein Insolvenzverwalter kündigt einem Arbeitnehmer betriebsbedingt und bietet nach § 1a KSchG eine Abfindung an. Diese Abfindung stellt eine Masseverbindlichkeit dar und ist bevorzugt aus der Insolvenzmasse zu bezahlen.
Ausnahme: Kündigungen und Abfindungen durch den Insolvenzverwalter
Eine besondere Rolle spielen Abfindungsansprüche, die durch den Insolvenzverwalter entstehen. Kündigt der Insolvenzverwalter im Rahmen der Fortführung des Unternehmens betriebsbedingt oder schließt er Aufhebungsverträge, gelten die daraus resultierenden Abfindungen als Masseverbindlichkeiten. Der Grund dafür ist, dass der Insolvenzverwalter für die Erfüllung von Verbindlichkeiten, die zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlich sind, verantwortlich ist.
Die Rechtsprechung dazu hat sich in den letzten Jahren gefestigt: Abfindungen, die im Rahmen von Maßnahmen des Insolvenzverwalters entstehen, gelten grundsätzlich als Masseverbindlichkeiten. Das führt dazu, dass Arbeitnehmer in der Insolvenzphase bevorzugt behandelt werden, wenn sie ihren Anspruch erst nach Insolvenzeröffnung erlangen.
Besondere Fallkonstellationen: Sozialplanabfindungen
Eine Sonderstellung nehmen Sozialplanabfindungen ein. Sozialpläne, die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vereinbart wurden, unterliegen den allgemeinen Regeln der Insolvenzforderungen. Entsteht jedoch ein Sozialplan nach Insolvenzeröffnung, etwa zur Regelung der Ansprüche der Belegschaft bei einer Betriebsstilllegung, gelten die daraus entstehenden Abfindungen als Masseverbindlichkeiten. Allerdings sind Sozialplanabfindungen gemäß § 123 InsO auf maximal ein Drittel der Masse begrenzt, was die Ansprüche der Arbeitnehmer mindern kann.
Fazit: Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung?
Die Einordnung des arbeitsrechtlichen Abfindungsanspruchs als Masseverbindlichkeit oder Insolvenzforderung hängt vom Zeitpunkt der Entstehung ab. Ist der Anspruch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden, handelt es sich um eine Insolvenzforderung, die zur Tabelle angemeldet werden muss und nur in der Quote bedient wird. Entsteht der Anspruch erst nach der Insolvenzeröffnung, insbesondere durch den Insolvenzverwalter, wird er als Masseverbindlichkeit eingestuft und bevorzugt beglichen.
Für Arbeitnehmer ist es daher entscheidend, den Zeitpunkt der Abfindungsvereinbarung oder der Kündigung genau im Auge zu behalten, um zu wissen, ob und in welchem Umfang sie mit einer Befriedigung ihrer Ansprüche rechnen können. Arbeitgeber und Insolvenzverwalter sollten sich dieser Unterscheidung ebenfalls bewusst sein, um unvorhergesehene finanzielle Belastungen zu vermeiden.
Die korrekte Einordnung kann im Einzelfall jedoch komplex sein und sollte im Zweifelsfall rechtlich geprüft werden.