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Insolvenzrecht und das Arbeitsrecht – Rechte von Arbeitnehmern bei Insolvenzen
Eine Unternehmensinsolvenz stellt nicht nur für das Unternehmen und dessen Eigentümer eine Herausforderung dar, sondern auch für die Arbeitnehmer. Sie sind nicht nur mit der Unsicherheit über den Erhalt ihrer Arbeitsplätze konfrontiert, sondern stehen auch vor der Frage, ob und in welcher Höhe sie ihre ausstehenden Nachteile erhalten. Dieser Beitrag beleuchtet die Rechte der Arbeitnehmer im Insolvenzfall, zeigt auf, welche Ansprüche sie geltend machen können, und erklärt die Rolle des Insolvenzverwalters und der Arbeitsagentur bei der Wahrung der Arbeitnehmerrechte.
1. Überblick über den Ablauf des Insolvenzverfahrens und die Rolle des Insolvenzverwalters
Im Insolvenzverfahren übernimmt der Insolvenzverwalter die Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse. Sein Ziel ist es, die Gläubiger bestmöglich zu erreichen, wobei die Arbeitnehmer eine besondere Stellung einnehmen. Sie gehören zu den sogenannten „besicherten Gläubigern“ und haben vorrangige Ansprüche auf Insolvenzgeld sowie Ansprüche auf den Erhalt ihres Arbeitsplatzes.
a) Eröffnung des Insolvenzverfahrens
Nach dem Insolvenzantrag durch das Unternehmen, einen Gläubiger oder die Geschäftsführung wird vom zuständigen Insolvenzgericht ein vorläufiger Insolvenzverwalter bestellt. Diese Prüfungen, ob noch Aussichten bestehen, das Unternehmen fortzuführen oder ob eine Liquidation unvermeidlich ist. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erhält der Insolvenzverwalter die Befugnis, über das Vermögen des Unternehmens zu entscheiden.
b) Aufgaben des Insolvenzverwalters im Hinblick auf Arbeitnehmer
Der Insolvenzverwalter prüft die bestehenden Arbeitsverhältnisse und entscheidet, welche Verträge fortgeführt und welche gekündigt werden. Bei der Fortführung hat er jedoch die Möglichkeit, arbeitsrechtliche Regelungen zugunsten des Insolvenzverfahrens anzupassen, etwa durch den Abbau von Überstunden oder Anpassungen der Arbeitszeiten.
2. Kündigungsschutz und Sonderregelungen im Insolvenzfall
Im Insolvenzfall gelten besondere Kündigungsschutzvorschriften, die es dem Insolvenzverwalter ermöglichen, Arbeitsverhältnisse in der Regel innerhalb von drei Monaten zu kündigen, unabhängig von längeren Kündigungsfristen im Arbeitsvertrag oder Tarifverträgen.
a) Kündigungsfristen und Sozialauswahl
Die Kündigungsfrist beträgt im Insolvenzfall nach § 113 Insolvenzordnung (InsO) maximal drei Monate zum Monatsende. Dies gilt unabhängig davon, ob im Arbeitsvertrag oder Tarifvertrag längere Kündigungsfristen vorliegen. Allerdings muss der Insolvenzverwalter dennoch die Sozialauswahl beachten und soziale Kriterien wie das Alter, die Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers berücksichtigen.
b) Sonderkündigungsrecht bei Betriebsstilllegung
Sollte der Insolvenzverwalter zu dem Entschluss kommen, dass eine Fortführung des Unternehmens nicht möglich ist, kann er die Kündigung aller Arbeitsverhältnisse im Rahmen einer Betriebsstilllegung aussprechen. Arbeitnehmer haben in diesem Fall nur einen eingeschränkten Kündigungsschutz, da die Betriebsaufgabe ein dringendes betriebliches Erfordernis darstellt.
3. Insolvenzgeld: Absicherung für Arbeitnehmer bei Zahlungsausfällen
Ein wichtiger Schutzmechanismus für Arbeitnehmer im Fall Insolvenz ist das Insolvenzgeld. Dies wird von der Bundesagentur für Arbeit bezahlt und deckt die letzten drei Monate vor der Insolvenzeröffnung ab. Das Insolvenzgeld stellt sicher, dass Arbeitnehmer in dieser schwierigen Phase zumindest einen Teil ihrer Einkünfte erhalten.
a) Voraussetzungen und Höhe des Insolvenzgeldes
Anspruch auf Insolvenzgeld haben alle Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis vor oder während der Insolvenz fortbestand und deren Entgeltansprüche bestehen. Das Insolvenzgeld beträgt in der Regel 100 % des Nettoverdienstes der letzten drei Monate und wird über die Arbeitsagentur abgewickelt. Auch Minijobber und geringfügig Beschäftigte haben Anspruch auf Insolvenzgeld.
b) Antragstellung und Fristen
Arbeitnehmer müssen das Insolvenzgeld innerhalb von zwei Monaten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bei der Arbeitsagentur beantragen. Dazu ist ein schriftlicher Antrag erforderlich, bei dem die Gehaltsabrechnungen der letzten drei Monate vor Insolvenzeröffnung beigelegt werden sollten. Die Auszahlung erfolgt in der Regel zügig, da die Arbeitsagentur für den Insolvenzgeldantrag vorrangig ist.
4. Lohnansprüche als Masseforderungen und die Rangordnung der Forderungen
Lohnansprüche, die während des laufenden Insolvenzverfahrens entstehen, werden als sogenannte Masseforderungen behandelt. Das bedeutet, dass sie aus der Masse der Insolvenz vorrangig bedient werden, bevor die Gläubiger im Insolvenzplan berücksichtigt werden.
a) Masseforderungen und deren Bedeutung
Arbeitnehmer, die während des Insolvenzverfahrens weiterhin im Unternehmen arbeiten, haben Anspruch auf ihren laufenden Lohn als Masseforderung. Dies bedeutet, dass sie vorrangig aus der noch vorhandenen Insolvenzmasse bezahlt werden, da die Fortführung des Betriebs nur durch die Arbeitsleistung der Angestellten möglich ist.
b) Klagen vor der Insolvenzeröffnung
Lohn- und Gehaltsforderungen, die vor der Insolvenzeröffnung entstanden sind und nicht durch das Insolvenzgeld gedeckt wurden, gelten als sogenannte einfache Insolvenzforderungen. Diese Forderungen werden nachrangig bearbeitet und erst dann ausgezahlt, wenn noch genügend Mittel in der Insolvenzmasse vorhanden sind. In der Praxis werden diese Forderungen jedoch oft nur teilweise oder gar nicht erfüllt.
5. Sozialplan und Abfindungen im Insolvenzverfahren
Sollte es zu Entlassungen kommen, haben Arbeitnehmer im Rahmen des Insolvenzverfahrens oft Anspruch auf Abfindungen, die durch einen Sozialplan festgelegt werden. Der Sozialplan ist eine Vereinbarung zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat, die die wirtschaftlichen Folgen für die entlassenen Arbeitnehmer abmildern soll.
a) Sozialplanverhandlungen und Inhalte
Im Rahmen des Insolvenzverfahrens wird häufig ein Sozialplan aufgestellt, um den betroffenen Arbeitnehmern eine finanzielle Abfindung zu ermöglichen. Der Sozialplan legt fest, wie hoch die Abfindungen sind und welche weiteren Leistungen den Arbeitnehmern zustehen. Die Verhandlungen über den Sozialplan erfolgen zwischen dem Insolvenzverwalter und dem Betriebsrat, wobei häufig staatliche Fördermittel genutzt werden, um den Sozialplan zu finanzieren.
b) Begrenzung der Sozialplanmittel
Bei Insolvenzen gelten jedoch Einschränkungen für die Sozialplanleistungen: Die Mittel für den Sozialplan dürfen 2,5 Monatsverdienste aller betroffenen Arbeitnehmer nicht überschreiten. Diese Begrenzung soll verhindern, dass durch hohe Abfindungen die Insolvenzmasse weiter geschmälert wird und Gläubiger weniger zurückerhalten.
6. Sonderfall: Betriebliche Altersvorsorge und Ansprüche im Insolvenzfall
Arbeitnehmer, die eine betriebliche Altersvorsorge haben, können im Insolvenzfall zusätzliche Risiken eingehen. Ob und wie die betriebliche Altersvorsorge geschützt ist, hängt von der Art der Altersvorsorge und deren Absicherung ab.
a) Pensionssicherungsverein und Direktzusagen
Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber ihnen eine betriebliche Altersvorsorge in Form einer Direktzusage gewährt hat, sind im Insolvenzfall durch den Pensionssicherungsverein (PSV) abgesichert. Der PSV übernimmt in diesem Fall die Leistungen der Altersvorsorge und stellt sicher, dass die Arbeitnehmer keine Einbußen erleiden.
b) Betriebsrentenfonds und andere Modelle
Anders sieht es bei Arbeitnehmern aus, deren betriebliche Altersvorsorge über Pensionsfonds oder Versicherungen abgewickelt wird. Hier ist der Insolvenzschutz meist ebenfalls gegeben, da das Vermögen in einem separaten Sicherungsfonds verwaltet wird und somit vor dem Insolvenzverfahren geschützt ist. Arbeitnehmer sollten ihre Altersvorsorge im Detail prüfen und sich bei Unsicherheiten von einem Fachanwalt für Arbeits- und Sozialrecht beraten lassen.
7. Handlungsempfehlungen für Arbeitnehmer im Insolvenzfall
Für Arbeitnehmer ist es wichtig, im Insolvenzfall schnell und überlegt zu handeln, um ihre Ansprüche bestmöglich zu sichern. Hier einige Handlungsempfehlungen:
- Schnelle Beantragung des Insolvenzgeldes : Da die Frist zur Beantragung des Insolvenzgeldes nur zwei Monate beträgt, sollten Arbeitnehmer die Antragsstellung unverzüglich einleiten und alle notwendigen Unterlagen bereithalten.
- Überprüfung von Kündigungen : Wenn der Insolvenzverwalter eine Kündigung ausspricht, sollten Arbeitnehmer die Sozialauswahl und die Einhaltung der Frist überprüfen und gegebenenfalls eine Kündigungsschutzklage in Betracht ziehen.
- Beratung durch den Betriebsrat oder einen Anwalt : Arbeitnehmer sollten die Unterstützung des Betriebsrats nutzen, der oft eine wichtige Vermittlungsrolle im Insolvenzverfahren einnimmt. Bei rechtlichen Fragen ist zudem eine anwaltliche Beratung empfehlenswert, insbesondere bei der Prüfung von Sozialplan und Abfindungen.
8. Fazit
Die Rechte der Arbeitnehmer im Insolvenzfall sind im Insolvenzrecht besonders geschützt, um eine finanzielle Absicherung zu gewährleisten. Das Insolvenzgeld und die Vorrangstellung der Masseforderungen sorgen dafür, dass Arbeitnehmer ihre laufenden Gehaltsansprüche ihrer geltend machen können und zumindest einen Teil ihrer Forderungen erfüllt bekommen. Eine frühzeitige und umfassende Informationsbeschaffung sowie eine sorgfältige Überprüfung der eigenen Rechte sind entscheidend, um Ansprüche im Insolvenzfall zu sichern und finanzielle Einbußen zu minimieren.
Insgesamt ist der Insolvenzfall für Arbeitnehmer eine schwierige Phase, in der rechtliches Wissen und aktives Handeln helfen können, persönliche Rechte zu wahren und finanziellen Schaden zu reduzieren.